Vom Fohlen zum Reitpferd

reitpferd

Blue haben wir selbst gezogen, somit konnte ich seinen kompletten Weg zum Reitpferd mitverfolgen. Das ist zwar schön, aber man kann auch viel falsch machen.
Daher ist es ein Thema, was mich sehr beschäftigt. Egal ob im privaten Umfeld oder Internet, es wird viel darüber diskutiert, wann es Zeit ist das Pferd einzureiten.
Ich finde so pauschal kann man das gar nicht sagen. Es gibt Spätzünder und Pferde, die sind schon früher etwas weiter mit ihrer Entwicklung.
Doch für mich persönlich gehört kein Mensch auf einen Pferderücken, bevor das Pferd nicht mindestens 3 Jahre alt ist. Damit will ich nicht sagen, dass man das Pferd überhaupt nicht beschäftigen soll. Die Grunderziehung wie Hufe geben, putzen, führen etc. sollte natürlich vorhanden sein.
Genau genommen ist das Pferd doch so viele Jahre im Dienste des Menschen. Wie viele Jahre (er)trägt ein Pferd einen Menschen? Einen Großteil seines Lebens. Was bitte sind dagegen 3 Jahre „Jugend“ auf der Weide?
Die Sehnen und Gelenke entwickeln sich meistens sogar noch bis die Pferde 5-6 Jahre alt sind. „Fertig“ sind diese mit 3 Jahren noch lange nicht. Doch wenn man dann schonend anfängt, finde ich das immerhin noch vertretbar. Vorausgesetzt ein Pferd ist soweit, ansonsten sollte man auch da nicht zu egoistisch sein und dem Pferd noch ein Jahr gönnen.
Schlimm finde ich vor allem die Äußerung wenn es heißt „da sitzt ja nur ab und zu jemand drauf!“
Ich glaub manche wissen gar nicht was sie ihrem Pferd damit antun. Gerade wenn nur ab und zu jemand drauf sitzt und das Pferd nicht anders gearbeitet wird, sprich Muskeln aufgebaut werden, ist das noch viel schädlicher. Nur verständnislos den Kopf schütteln kann ich, wenn Pferde schon ab 2/2 1/2 Jahren „geritten“ werden.
Meistens sieht man dann völlig unbemuskelte Pferde die von ihrer Entwicklung her eher einem Fohlen als einem Reitpferd gleichen. Noch unverständlicher ist es dann für mich wenn man sich da ohne Sattel drauf setzt. Auf einen unbemuskelten Rücken? Mal kurz drauf setzten für wenige Minuten um das Pferd daran zu gewöhnen – ok, aber gleich einige Runden „reiten“? Für mich nicht nachvollziehbar.
Mir tun so Pferde einfach Leid, denn oft sind es die lieben Pferde mit denen das gemacht wird. Mit denen kann man es ja machen, die wehren sich nicht und das wird leider ausgenutzt.

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Blue mit 1 1/2 Jahren

Gerade bei jungen Pferden ist es finde ich wichtig, sie auch ausreichend vom Boden aus zu arbeiten um Muskulatur aufzubauen und damit sie lernen sich auszubalancieren. Das kann man ohne reiten und eine gewisse Grundlage sollte finde ich da sein bevor man sich drauf setzt, nicht erst weil sie durch das Reiten kommt.
Blue wurde eingeritten als er 3 Jahre alt war – „richtige“ 3 Jahre alt. Er ist im Juni geboren und somit wurde er erst im Juli schonend angeritten. Blue war zwar körperlich absolut so, dass man sich mit ruhigem Gewissen drauf setzen konnte, doch vom Kopf her hätte er auch noch etwas gebraucht. Außerdem wurde mit ihm ausgiebig vom Boden gearbeitet (Longe (natürlich nicht zu lange), Spaziergänge etc.) bevor ich anfing ihn zu reiten. Wir waren von Anfang an viel im Gelände unterwegs. Dadurch, dass man im Gelände länger geradeaus laufen kann als auf dem Platz, fiel es ihm dort leichter sein Gleichgewicht mit Reiter zu finden.
Im Winter konnte er dann noch mal etwas pausieren, was nicht verkehrt war. Als er dann 4 Jahre alt war ging es eigentlich richtig los, dann kam ja leider der Kniebruch und brachte die Zwangspause. Doch im Endeffekt war auch diese nicht verkehrt. Denn nach dem Kniebruch hat man einfach gemerkt, dass ihm vieles leichter fiel. Und da war er fast 5!
Melody war ein absoluter Spätzünder, sie haben wir erst mit ca. 5 Jahren eingeritten, die absolut richtige Entscheidung, Melody hat diese Zeit gebraucht.
Mit einreiten meine ich das bloße Reiten, ich rede nicht davon rein gar nichts mit dem Pferd zu tun. Wie viel hängt immer vom Pferd ab.
Es ist ein Thema, was mich irgendwo ganz oft traurig macht. Weil viele Menschen einfach nur daran denken endlich auf dem Pferd zu sitzen. Dabei trägt es uns doch sicher noch so viele Jahre durch die Welt. Es ist irgendwo der eigene Egoismus der meint sich so schnell wie möglich aufs Pferd zu setzen. Dabei kann man sich auch anders mit einem jungen Pferd beschäftigen. Dadurch werden natürlich viele Pferde total verheizt und nicht selten bekommen sie eher Probleme mit dem Rücken etc. Ein Pferd selten zu reiten ist eigentlich schädlicher. Denn von „ab und zu“ wird die Muskulatur nicht aufgebaut.
Vielleicht ist es der Wunsch, manchmal etwas mehr an das Pferd zu denken, als an sich selbst.
Natürlich freut man sich, wenn man endlich sein Pferd reiten kann. Man kennt es, seit es ein Fohlen ist, sieht es aufwachsen. Ich kann nachvollziehen, wenn man irgendwann den Wunsch hat drauf zu sitzen. Jedoch vergehen 3 Jahre schneller als man denkt.
Man beschleunigt den Wachstum der Knochen etc. nicht, nur weil man früher anfängt zu reiten. Manche Krankheiten, die man heute sehr häufig hört sind daher irgendwo selbst gemacht. Sei es durch die Haltung oder durch zu frühes Reiten.
Aber heutzutage muss – übertrieben gesagt – jedes 5-jährige Pferd ja schon eine S-Dressur gehen können. Ich finde das sehr bedenklich, denn dadurch sind viele Pferde schon sehr früh „platt“.
Blue ist mittlerweile 15 Jahre alt und hatte nie wirklich Probleme, außer die, die durch den Kniebruch kamen. Daher kann ich rückblickend sagen, dass wir eigentlich alles richtig gemacht habe – trotz, dass Blue mein erstes eigenes Pferd ist.
Irgendwo sind wir das doch unserem Partner Pferd schuldig, wo es doch so viele Jahre in unseren „Diensten“ steht.


5 Gedanken zu “Vom Fohlen zum Reitpferd

  1. Also ich persönlich finde 4/5 Jahre am besten. Wie du eben sagst, brauchen manche auch vom Kopf her die Zeit. Ich bin ganz froh, dass meine Stute damals nur zum Züchten da war. Das heißt ihre Knochen sind nicht so verbraucht und überstrapaziert wie bei all den „FN Pferdchen“. In der Normalo-Reiterei braucht man sich ja eigentlich nicht mehr wundern, dass die Pferde mit 15 Jahren Athrose kriegen…

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    1. 15 Jahre ist echt so ein richtiger „Knackpunkt“ beim Pferd. Da merkt man oft was in jungen Jahren verbrochen wurde. Oder Probleme kommen zum Vorschein, die vorher nicht da waren (bei uns merke ich jetzt z.B. die Probleme vom damaligen Kniebruch, da war die Jahre zuvor nie was spürbar).
      Ich persönlich finde es auch gut, wenn man Pferde z.B. anreitet und sie dann noch mal für 3-4 Monate auf die Wiese stellt (mit lockerer Arbeit vom Boden aus). Das habe ich bei Blue damals ebenfalls gemacht und hatte durchaus das Gefühl, dass ihm das half diese Veränderung (Reiten) zu „verarbeiten“. Es ist ja doch sehr viel neues was ein Pferd da lernt.
      Das muss man finde ich echt vom Pferd abhängig machen. Jedes ist da total unterschiedlich und es gibt durchaus Pferde, die Beschäftigung einfordern. Aber wie gesagt, vor 3 auf keinen Fall. Ab 3 ist es (wenn die körperliche Entwicklung nicht zu sehr hinten dran ist) okay, aber ab 4 ist eigentlich ideal.
      Und wenn mit 3, sollte man es halt nicht übertreiben. Wobei das Problem häufig ist, dass die Pferde oftmals zum 01.01. „älter“ werden, egal in welchem Monat sie geboren sind und die Monate fehlen dem ein oder anderen dann doch.

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  2. Reitest du eigentlich auch ab und zu melody oder machst Bodenarbeit mit ihr? Oder ist das chantalss Sache?

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    1. Bodenarbeit habe ich zwischendurch auch mal mit ihr gemacht, gerade am Anfang. Aber da Chantal mittlerweile sehr fit drin ist und ich ihr da oft „Unterricht“ gegeben habe, mache ich das jetzt nur, wenn es irgendwie Probleme gibt oder wenn ich ihr was erkläre.
      Reiten werde ich sie ab Frühjahr gelegentlich um sie etwas weiter auszubilden und gelegentlich zu korrigieren. Da im Winter der Platz nicht so brauchbar war und dann das mit meinem Finger war, hab ich das die letzten Monate nicht gemacht. Aber ich sitz gelegentlich mal so auf der Weide auf ihr, dann halt ohne alles. Das würde ich jetzt aber nicht als reiten bezeichnen.

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  3. Meine Stute ist mittlerweile acht (sie wird in 4 Monaten 9) und ich bin dabei sie noch richtig auszubilden, d.h. Durchs genicklaufen, Übergänge, Vorwärts-Abwärts also noch so ziemlich die Grundbausteine zu setzten🙊 ich bin allerdings auch keine Erfahrende Reiterin😅 dazu muss ich sagen dassie mit 7zu uns gekommen ist, und dass sue kein einfaches Pferd war/ist… Wir mussten erstmal an anderen Dingen arbeiten bevor ich Reitunterricht und ähnliches machen konnte;) sie war auch nicht richtig ausgebildet, das heißt sie war angeritten. Dazu hatten wur wie schon gesagt auch noch andere Probleme aber jetzt sind wir auf einem guten Weg!!❤ ich stimme mit deinem Text vollkommen überein und ich möchte später selbst ein Fohlen haben und dann mach ich es genau so wie du!!!💕💎💭

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