Das eigene Pferd selbst ausbilden – bereue ich irgendwas?

Wie die meisten sicher wissen, ist Blue mein erstes eigenes Pferd und ich hatte das Glück ihn seit seiner Geburt bei mir zu haben. Somit kenne ich ihn von Anfang an und habe ihn auch selbst ausgebildet. Im Blogbeitrag Vom Fohlen zum Reitpferd habe ich ja bereits allgemein über das Einreiten geschrieben. Hier möchte ich noch mal detaillierter auf alles eingehen, wie wir es gemacht habe und ob ich irgendwas bereue oder anders machen würde. Damit es nicht zu viel wird habe ich das ganze in 3 Beiträge geteilt:

Teil 1: Ein Fohlen aus der eigenen Stute
Teil 2: Wenn das Fohlen erwachsen wird
Teil 3: Das eigene Pferd selbst ausbilden – bereue ich irgendwas?

Pferd selbst ausbilden

Aber auch wenn das Einreiten usw. im vergangen Blogbeitrag recht problemlos verlief, so hatte auch Blue seine Phasen wo er mich getestet hat. Es war definitiv nicht immer leicht und manchmal hat es mehr Anläufe gebraucht. So ein Jungpferd ist schon eine echte Herausforderung. Man sollte regelmäßig jemand unabhängigen drauf gucken lassen, denn beim eigenen Pferd wird man ja mit der Zeit doch etwas Betriebsblind. Auch Blue und Melody hatten eine Phase wo sie getestet haben wie weit sie gehen können. Irgendwann guckt so ein Jungpferd eben wie weit es gehen kann, damit muss man rechnen und es ist finde ich normal. Wann diese Zeit kommt kann man nicht sagen, bei dem einen kommt sie früher beim anderen später. Das kann dann schon mal „lustig“ werden. Wenn man aber konsequent ist, so lässt sich auch das schnell wieder eindämmen. Wie extrem diese Phase ausfällt ist sicher vom Pferd abhängig. Bei Blue und Melody konnte man das recht schnell eindämmen, wenn man entsprechend selbstsicher ihnen gegenüber aufgetreten ist. Übrigens testen all unsere Pferde auch heute noch jeden neuen Mensch, nicht böswillig, aber sie gucken schon ob man den neuen Menschen echt ernst nehmen muss. Eine richtig extreme Phase hatte ich mit Blue als wir nach dem Bruch wieder mit dem Antrainieren begonnen haben. Melody hat erst alles brav mit gemacht und stellte dann auf ein mal alles in Frage. z.B. ob man wirklich beim longieren in eine Richtung laufen muss oder ob man nicht einfach mal selbstständig diese wechseln könnte. Sie war beim Reiten lieb und hat dann eher am Boden so ihre Phasen gehabt wo sie geguckt hat wo die Grenzen sind.
Damit möchte ich etwas die Illussion nehmen, dass beim ausbilden des Pferdes immer alles glatt läuft und man von solchen Phasen verschont wird. Sicher mag es ein paar Einzelfälle geben wo das zutrifft, aber in den meisten Fällen gibt es so eine Flegelphase.

Aufgrund Blues körperlichen Voraussetzungen war die Anfangszeit nicht leicht. Denn Blue hatte einen starken Unterhals und lief nicht gerade gesund. Sicher könnte man sagen die Kombination junges Pferd und junge Reiterin – das passt nicht. Denn natürlich war Blue das erste Pferd welches ich ausgebildet habe. Für mich war das also absolutes Neuland. Eigentlich ging ich anfangs davon aus, dass Blue für ca. 3 Monate in Beritt zu meiner Trainerin geht. So macht man das ja normal. Aber meine Reitlehrerin war der Meinung, dass ich das auch selbst hin bekomme, eben unter ihrer Anleitung. Ich bin wirklich dankbar, dass das so gelaufen ist, denn es ist natürlich ein schönes Gefühl, wenn man mit dem Pferd gemeinsam lernt. Es bringt ja nichts, wenn das Pferd in Beritt geht und am Ende kann man das was der Trainer reitet nicht nachrreiten. Noch dazu hat Blue damals jeden Reiter schlecht aussehen lassen, das lag einfach an seinem Exterieur.
Wenn ich heute zurück blicke, so wäre es für Blue sicher besser gewesen noch ein Jahr länger zu warten. Durch die gebrochene Kniescheibe bekam Blue letztendlich ja zwangsläufig noch ca. ein Jahr. Als er dann 5 Jahre alt war, haben wir richtig große Fortschritte gemacht.
Bereue ich das? Nein, das kann ich wirklich nicht sagen. Auch wenn ich aus heutiger Sicht vieles anders machen würde, so weiß ich, dass Blue keinen Schaden davon getragen hat. Gerade in der Anfangszeit sind wir alles sehr locker angegangen und dann bekam er den Winter ja auch noch mal Pause. Er wurde also keineswegs überfordert und auch in den Jahren später wurden keine Probleme ersichtlich. Anders wäre das sicher gewesen, wenn ich ihn 4 mal die Woche geritten wäre, was aber nicht der Fall war. Stattdessen habe ich eben oft am Boden ohne Reitergewicht mit ihm gearbeitet, damit er Muskulatur aufbaut. Bei Melody haben wir z.B. erst mit 4/5 mit dem Reiten angefangen, weil sie ein Spätzünder war. Körperlich sah Blue als Dreijähriger auch nach deutlich mehr Pferd aus als Melody.

Pferd selbst ausbilden1

Ich rede nicht so gerne über mich, halte mich grundsätzlich lieber im Hintergrund und auch öffentlich zu sagen „ich bin stolz auf uns“ fällt mir schwer. Aber ich möchte es dennoch sagen, denn auch wenn ich das nicht so „raus hängen“ lasse, so bin ich unfassbar stolz auf das was Blue und ich geschafft haben.
Es gab viele Menschen die mir das nicht gegönnt haben und vielleicht auch heute noch nicht gönnen. Es gab viele Menschen die mich versucht haben klein zu halten und niemals erwartet haben, dass aus uns „mal was wird“.
Ich war sehr jung als die Ausbildung von Blue Thema wurde. Aber ich hatte meine Eltern die hinter mir standen und eine gute Trainerin die an mich und meine Fähigkeiten geglaubt hat. Dafür werde ich ihnen auf ewig dankbar sein. Denn wenn so viel negatives über einen herein bricht, dann fängt man an zu zweifeln und dann sind Menschen wichtig die wirklich hinter einem stehen.
Vor allem wenn man jünger ist, lässt man sich schnell beeinflussen. Ich bin auch sehr dankbar, dass Blue nicht in dem Stall stand wo ich geritten bin. Die sogenannten „Bandenprofis“ gab es auch damals schon und ich glaube unser Weg wäre ganz anders verlaufen, wenn ich in einem Stall gewesen wäre. Dort versucht ja irgendwie jeder einem seinen Weg aufzuquatschen. Bei uns zu Hause auf der Weide hatte ich meine Ruhe und da war niemand der mir reingequatscht hat oder versuchte sein „Wissen“ aufzudrängen. Es gab nur Blue und mich. Ich habe die Tipps meiner Trainerin angenommen und so gut es geht versucht umzusetzen.
Sicherlich wären wir reiterlich viel früher um einiges weiter gewesen, wenn wir öfter Reitstunden gehabt hätten. Leider ging meine Trainerin irgendwann aus dem Stall weg wo ich geritten bin. Es war schon damals schwer wirklich gute Reitlehrer zu finden, in dem Stall gab es niemanden, dem ich mein Pferd anvertraut hätte. Der Weg zu ihr war leider immer recht weit und blöd zu fahren. Trotzdem habe ich viel mitnehmen können und habe dann eben konsequent an mir gearbeitet.
Alles was Blue heute kann, haben wir uns zusammen erarbeitet. Alles was ich kann, habe ich von Blue gelernt. Er war der beste Lehrer den ich mir wünschen konnte.
Sicherlich habe ich nicht alles richtig gemacht, aber rückblickend habe ich keine gravierenden Fehler gemacht die eine Auswirkung hatte. Gesundheitlich steht Blue für seine bald 17 Jahre richtig gut da. Natürlich hat er bedingt durch den Bruch mittlerweile einige Probleme die er sonst nicht hätte. Ich bin sehr kritisch, lasse gerne Leute drauf gucken wo ich weiß, dass ich eine ehrliche Meinung bekomme. An Blue waren schon verschiedene Physiotherapeuten und Tierärzte, keiner konnte etwas feststellen, das mit dem Training o.ö. zusammenhängt.
Was mich besonders freut ist, dass wir es diesen ganzen „Bandenprofis“ gezeigt haben. Die Zeit damals war echt nicht leicht für mich und ja, das macht einen traurig. Wie oft durfte ich mir anhören „Gib Dein Pferd doch in Beritt, Du bekommst den eh nie richtig geritten“ oder „Du kannst doch gar nicht so gut reiten, dass Du ein Pferd ausbilden kannst“. Sicher spielte damals bei einigen auch der Neid eine Rolle. Getroffen hat es mich als Jugendlicher schon. Mit ca. 14 Jahren ein eigenes Pferd und das auch noch selbst ausbilden. Für viele ein Traum, den ich dank meiner Eltern leben durfte.
Heute ist es mir egal was andere sagen oder denken. Wichtig ist mir das Feedback von Menschen aus meinem engen privaten Umfeld und Blues Meinung.
Ich muss dazu sagen, dass ich oft auf den Pferden meiner Trainerin reiten durfte. Diese waren top ausgebildet und ich habe wahnsinnig viel gelernt. Für mich war das eine richtige Ehre, denn auf ihre eigenen Pferde hat meine RL echt nur wenige Leute gelassen. Solche Pferde sind einfach was komplett anderes als Schulpferde. Schulpferde sind häufig leider nicht besonders gut und fein ausgebildet. Die Pferde meiner Trainerin waren so ausgebildet, dass selbe hohe Lektionen kein Problem waren. Das Lernen auf diesen Pferden und eine wirklich gute Trainerin sind der Grund dafür, dass die Konstellation „junges Pferd, junge Reiterin“ bei uns gut lief.

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Ja, ich bin stolz und froh sagen zu können, dass wir das alles alleine hin bekommen haben. Größtenteils nur auf einem Stück Wiese. Im Prinzip haben wir nicht nur reiterlich die Kurve bekommen, sondern haben noch viel mehr gewonnen – ein wir! Ich hätte nie gedacht, dass man so eine Beziehung zu einem Pferd haben kann. Auch hätte ich nie daran geglaubt, dass ich mal so frei mit Blue arbeiten würde – das geht doch nur im Film. Ja, so habe ich gedacht, denn es gab niemanden in unserer Umgebung wo man sehen konnte, dass das wirklich so geht.
Das größte Dankeschön geht dabei natürlich an Blue. Ohne ihn wäre ich niemals die Person geworden die ich heute bin. Er hat mir so viel beigebracht und so vieles möglich gemacht, womit ich nie gerechnet habe. Im Prinzip ist diese Entwicklung für mich ein wahr gewordener Traum. So viel gemeinsam zu erleben, so eine starke Entwicklung durch zu machen. Dabei hat das Leben es teilweise echt nicht gut mit uns gemeint. Es war keineswegs alles einfach, aber gemeinsam haben wir jede Hürde genommen. Wichtig ist, dass man sich in schweren Zeiten nie selbst aufgibt. Und wenn ich mal kurz davor war alles hin zu werfen, so hat Blue für uns beide weiter gekämpft. So macht man das als Team, man kämpft gemeinsam und unterstützt sich gegenseitig. Was für ein Glück ich hatte, dass dieses Pferd in mein Leben gekommen ist und mich so krass geprägt hat. Er hat mich völlig aus diesem „typischen“ Denken raus geholt. Diese Sachen, die man eben im normalen Schulbetrieb gelernt hat, was irgendwie jeder so gemacht hat. Blue brachte mich auf einen völlig neuen Weg, den ich nicht kannte, wo mir auch sonst niemand helfen konnte. Denn so mit Pferden zu arbeiten war damals selten. Zum Glück ist das heute anders, das hätte mir damals sicher geholfen, so sind wir den Weg alleine gegangen. Ich bin stolz auf das, was wir haben und das kann uns niemand mehr nehmen. Danke Blue!


2 Gedanken zu “Das eigene Pferd selbst ausbilden – bereue ich irgendwas?

  1. Sehr schöner Beitrag! Ich habe meinen Appaloosa bekommen, als er vier Monate alt war. Mittlerweile ist er knapp 4 Jahre alt und wir stecken mitten in der reiterlichen Grundausbildung. Das ist wirklich eine große Aufgabe, für den normalen Freizeitreiter, die ich mit Unterstützung meiner Trainerin aber auch zu meistern versuche. Schwer ist es in der Tat manchmal, sich selbst treu zu bleiben und sich nichts einreden zu lassen… Liebe Grüße!

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  2. Wow ein toller Beitrag bin gerade selber am Überlegen ob ich ein Fohlen kaufen soll oder nicht, weil jeder sagt keine gute Idee, ich würde das lassen, musst so lange warten bis du mit ihm arbeiten kannst. Aber jetzt habe ich diesen Beitrag entdeckt und das hat mir Hoffnung gegeben und habe das Gefühl ich bin bereit diesen Weg zu gehen. Danke viel Mals

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