Wer kennt sie nicht? Die Zeiten wo irgendwie nichts klappt, alles schief läuft und wo man manchmal lieber alles hinwerfen möchte.
Aber meiner Meinung nach ist so eine Zeit sehr lehrreich – Warum? Das möchte ich heute etwas erläutern.
Ich gebe zu, diese Zeit haben wir schon lange hinter uns.
Aber wir hatten sie, über ein Jahr lang und das zum Teil wirklich sehr ausgeprägt.
Hätte mir damals jemand gesagt was ich mal mit Blue erreiche, dann hätte ich ihn ausgelacht. Viel zu absurd wäre diese Vorstellung gewesen.
Blue war ein zuverlässiges Jungpferd, das Einreiten verlief soweit problemlos und ansonsten war er für sein junges Alter sehr umgänglich und unerschrocken.
Dass gewisse Eigenschaften irgendwann „weg“ wären, ahnte ich bis dahin noch nicht.
Nach dem Kniebruch hat sich einiges verändert.
Auf ein Mal hatte Blue Panik vor Autos mit Anhänger, Motorrädern, großen Bussen und LKW’s. Während er früher problemlos in den Hänger ging, hatte er nun nur noch Stress und ging nicht mehr freiwillig rein.
War er früher brav beim reiten, so bockte er nach dem Kniebruch ziemlich ausgelassen.
Selbst ein einfacher Spaziergang mit Halfter war nicht möglich.
Nach all den Vorfällen bekam ich langsam sogar Angst vor Blue, ich wollte ihn nicht mehr reiten und beschäftigte mich weniger mit ihm. Das die kommende Zeit zwar die härteste, aber auch lehrreichste Zeit werden würde, war mir damals nicht bewusst.
Es war für mich früher selbstverständlich, dass ich mit Blue auf der Straße reiten konnte und er lieb war. Selbst wenn Leute noch so rücksichtslos waren, interessierte Blue das nicht.
Lange Zeit kämpften wir gegeneinander, viele Monate vergingen bis wir auch nur annähernd an „früher“ anknüpfen konnten.
Es sind viele Tränen geflossen und oft wollte ich aufgeben. Was wäre mir doch entgangen, hätte ich uns aufgegeben.
Viele Dinge lernt man erst zu schätzen, wenn sie nicht mehr da sind. Leider ist das oft so und wenn man Pech hat, so kommt diese Erkenntnis viel zu spät.
Unsere schwere Zeit war nicht angenehm, aber in einer gewissen Art und Weise bin ich froh, dass es sie gab. In dieser Zeit habe ich sehr viel gelernt – über Blue und über mich selbst. Viele meiner Denkweisen haben sich verändert. Ich bin fast überzeugt, dass wir ohne diese „Probleme“ niemals an den Punkt gekommen wären, wo wir heute sind.
Durch die Probleme die wir hatten, wurde ich gezwungen mich vor allem mit mir und Blue tiefgründiger zu beschäftigen. Es war die Zeit, in der ich am meisten nachdachte und stets versuchte eine Begründung für sein Verhalten zu finden bzw. zu verstehen warum er sich in manchen Situationen so verhält. Oft saß ich stundenlang auf der Weide und beobachtete ihn einfach nur beim fressen, ich machte nichts aktiv mit ihm sondern saß einfach nur da. Dabei war besonders diese Zeit sehr prägend und oftmals effektiver als eine Trainingseinheit.
Wir haben noch mal komplett bei 0 angefangen. Haben zueinander gefunden und ganz wichtig – wir haben unseren Weg gefunden. Ich habe in dieser Zeit sehr viel über mich selbst gelernt und ich habe eine wichtige Eigenschaft erlernt – mich in Blue hinein zu versetzen. Denken wie ein Pferd, das ist auch etwas was mir heute oft weiterhilft, da man die Dinge aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. Es ist auch wichtig sich selbst zu reflektieren und das was man tut zu hinterfragen. Denn manchmal tun wir Dinge nur, weil es uns so eingetrichtert wurde, dabei sind sie eigentlich gar nicht gut.
Durch diese schwere Zeit weiß ich viel mehr zu schätzen was ich mit Blue habe. Für mich ist nichts „selbstverständlich“.
Wie heißt es so schön? „Dinge für selbstverständlich zu halten ist der beste Weg sie zu verlieren“
Und es stimmt, wenn man etwas als nicht selbstverständlich ansieht, wenn man die Dinge schätzt die man hat, dann geht man achtsamer damit um. Ich bin sehr dankbar für das Verhältnis, was ich zu Blue aufbauen konnte und nach der schweren Zeit schätze ich das alles noch viel mehr. Vor allem wächst man durch harte Zeiten noch mehr zusammen. Wenn man gemeinsam Hürden überwindet, dann kann eine Freundschaft so schnell nicht mehr erschüttert werden.
Ich kenne bis jetzt noch keine Geschichte, wo es sich nicht ausgezahlt hat. Meistens waren die Pferd-Mensch-Beziehungen, welche schwere Zeiten durchlebt haben, am Ende die, die eine ganz besondere Bindung zueinander aufgebaut haben.
Ja manchmal ist es vielleicht ungerecht und man fragt sich „Warum muss gerade ich es so schwer haben?“ aber letztendlich lohnt es sich. Am Ende bekommt man es von seinem Pferd mehrfach zurück gezahlt.
Leider werden wir immer erst am Ende eines schweren Weges dafür belohnt, dass wir ihn gegangen sind. Aber es lohnt sich auf das zu hoffen, was einen danach erwartet.
Vor allem bekommt man dadurch viele neue Erkenntnisse. Zum Teil hat man sich mit Dingen auseinandergesetzt bzw. darüber nachgedacht, über die man sich sonst nie Gedanken gemacht hätte. Am Ende betrachtet man vieles aus einem anderen Blickwinkel.
Letztendlich kann ich sagen, die schwere Zeit mit Blue war die lehrreichste Zeit. Ich habe so unglaublich viel gelernt – vor allem von Blue. Wir haben jede Hürde genommen die uns in den Weg gestellt wurde, auch wenn wir manchmal mehrfach Anlauf nehmen mussten. Und dafür, dass wir den steinigen Weg gemeinsam gegangen sind, habe ich am Ende einen treuen und ehrlichen Freund gewonnen. Der all die Tränen, Verzweiflung und all den Kummer so umgewandelt hat, dass es all das wert war. Dass ich alles doppelt und dreifach zurück bekommen habe, viel mehr als ich mir je erträumt hätte. Alles hat sich gelohnt und letztendlich würde ich den Weg immer wieder gemeinsam mit Blue gehen.
Wenn wir bereit sind etwas zu lernen und unseren Pferden zuhören, dann kann man auch aus schweren Zeiten etwas positives mitnehmen. Denn solche Zeiten zwingen uns quasi dazu über vieles nachzudenken. Natürlich muss man diese Chance auch nutzen, hätte ich mich nicht darauf eingelassen, dann würde ich Blue heute nicht so gut „verstehen“. Habe ich früher einfach nur Dinge von anderen übernommen, so habe ich gelernt Dinge zu hinterfragen und mir meine eigene Meinung zu bilden. Wenn Blue sich irgendwie widersetzt oder anders verhält, so versuche ich die Fehler zuerst bei mir zu suchen und gucke was eventuell das Problem ist. Egal was es ist, Blue kommuniziert sehr viel mit mir. Früher habe ich einige Dinge missverstanden („der macht das um Dich zu ärgern“) und so manche Denkweise ist seit vielen Jahren komplett verschwunden. Leider wird genau dieses Bild in vielen Reitschulen vermittelt – das Pferd hat zu funktionieren. Ohne die vielen Probleme mit Blue, hätte ich diese ganzen Erkenntnisse nie bekommen. Wir wären nicht an diesem Punkt und ich hätte mir nie so viele Gedanken gemacht, wenn all das nicht passiert wäre. Auch wenn die Zeit hart war und mich viel Kraft gekostet hat, so bin ich auf eine gewisse Art und Weise dankbar, dass mich diese Zeit so viel gelehrt hat. Man muss nur bereit sein, an sich selbst zu arbeiten. Wenn man nach dieser schweren Zeit auf das zurückblickt was hinter einem liegt, dann merkt man, wie viel man eigentlich in dieser Zeit gelernt hat. Manchmal auf eine sehr harte Art, aber dennoch effektiv. Ich bin überzeugt, dass unser Weg ganz anders verlaufen wäre, wenn wir diese schwere Zeit nicht gemeinsam überstanden hätten.
Daher bin ich auf eine gewisse Art und Weise dankbar, was sie uns gelehrt hat. Anfangs machte jeder sein Ding, später waren wir ein Team!
Hallo Aline,
ein wirklich sehr schöner, tiefgründiger Beitrag! Ich habe mein Pferd und mich dabei absolut wieder erkannt. Trotzdem muss ich ehrlich sagen, dass es bei uns nie so eine extreme Erfolgsstory war, wir haben kleine Probleme und kleine Lösungen dafür. Die Probleme können allerdings, auch wenn sie noch so klein sind, extrem belastend werden, wenn sie eine Zeit lang andauern. Ich traute mich beispielsweise fast zwei Jahre gar nicht ins Gelände, weil mein Wallach sehr aufgeheizt und schwierig war. Momentan sind wir seit einem halben Jahr fast ausschließlich im Gelände unterwegs und es wird immer besser. Rückschläge sind dann aber auch oft schwierig für mich. Gerade jetzt in der kalten Jahreszeit ist Chitto doch wieder extrem kernig und das macht mir zu schffen, einfach weil es keinen Spaß macht täglich unter einem Pulverfass zu sitzen. Da zweifelt man schon gerne mal alles an. An einem anderen Tag bin ich dagegen wieder total happy, weil wir endlich spatzieren gehen können, ohne dass er mich dauernd überholen will.
Wichtig ist wirklich, wie du sagst, die kleinen Dinge nicht aus den Augen zu verlieren und nicht für selbstverständlich zu halten. Allerdings ist das manchmal doch schwerer als man glaubt.
Liebe Grüße, Nadine 🙂
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