Leben mit Migräne

Migräne

Ich gebe zu, es ist sicherlich kein Thema was man auf einem „Pferdeblog“ erwartet. Aber es betrifft mehr Menschen als man denkt und ich möchte darüber schreiben, weil es mich schon mein Leben lang begleitet.
Betroffene finden vielleicht ein paar neue Ansatzpunkte. Wer nicht betroffen ist, kann es anschließend möglicherweise etwas besser nachvollziehen.

Wichtig: Es handelt sich hier um meine persönlichen Erfahrungen.

Seit ich Denken kann, habe ich mit Migräne zu tun. Schon als Kind war das so, wobei es mit zunehmendem Alter besser wurde. Früher kam ich aus der Grundschule heim und hatte fast immer Kopfschmerzen. Dementsprechend wurde ich früh durchgecheckt und behandelt. Ich war beim Hausarzt, aber auch bei Spezialisten. Habe Akupunktur ausprobiert und teilweise ein „Migränetagebuch“ geführt.
Es gibt viele Menschen die können überhaupt nicht nachvollziehen was das bedeutet. Manche kennen Kopfschmerzen gar nicht und andere haben eben nur gelegentlich „normale Kopfschmerzen“. Zwischen Kopfschmerzen und Migräne liegen Welten.
Obwohl ich Migräne habe, habe ich tatsächlich gelegentlich auch „normale Spannungskopfschmerzen“. Diese beeinträchtigen mich fast nicht, ich merke sie, kann aber gut damit umgehen bzw. sie ertragen. Für Menschen die Migräne nicht kennen, sind diese „normalen Kopfschmerzen“ zum Teil schon eine Herausforderung.
Mit den Jahren hat sich die Migräne bei mir verändert. Nach der Pubertät wurde es schon deutlich besser.
Zeitweise hatte ich sogar eine Migräne mit Aura. Das bedeutet, dass vor den Kopfschmerzen neurologische Erscheinungen der verschiedensten Art auftreten. In meinem Fall war es eine Sehstörung. Als diese zum ersten Mal auftrat dachte ich, ich werde blind. Egal was man macht, man sieht nur verschwommen. Diese Aura kündigte bei mir einen Migräneanfall an. Ich hatte noch ein wenig Reaktionszeit und dann ging es auch schon rapide bergab.
Was kann man sich darunter vorstellen?
Ich werde Geräusch-, Licht- und Geruchsempfindlich. Jedes noch so kleine Geräusch wird zur Qual, Licht tut in den Augen weh und extreme Gerüche lösen einen Brechreiz aus. Am liebsten lege ich mich ins Bett, mach den Rollladen zu und warte bis es vorbei geht. Manchmal muss ich auch brechen, obwohl ich es versuche zu vermeiden weil ich immer das Gefühl habe dabei zu ersticken. Der Kopf pulsiert als würde einer mit dem Presslufthammer darauf herumschlagen. Je nachdem wie heftig der Anfall ist bin ich auch nicht mehr ansprechbar. Nicht selten hat meine Mutter mich im Bad vor dem Klo liegend gefunden. Reden ist übrigens auch so etwas, was dann sehr unangenehm ist. Mit irgendwelchen „Lauten“ versuche ich dann Fragen zu beantworten – mehr ist aber nicht drin.
Sprechen ist somit zu so einem Zeitpunkt ebenfalls eine Qual und wenn man so einen Anfall hat, will man eigentlich nur sterben.
Ich weiß, Menschen die davon nicht betroffen sind können das nicht nachvollziehen. Für sie klingt das oftmals „übertrieben“ weil das doch „gar nicht so schlimm ist“. Glaubt mir, ich beneide wirklich jeden, der das nicht nachvollziehen kann.
Ein Leben mit Migräne ist schon auch eine gewisse Einschränkung. Mit den Jahren habe ich herausgefunden was bei mir so etwas auslöst. Einige Dinge konnte ich abstellen, manches nicht.

Was mir wirklich am meisten hilft, ist ein möglichst gleichbleibender Tagesablauf. Heißt ich versuche, soweit es eben geht, zu einer bestimmten Zeit schlafen zu gehen und aufzustehen. Mir hilft alleine das schon sehr, weshalb eine Schichtarbeit undenkbar wäre. Mit einer Schlafdauer von 7-8 Stunden kommt mein Körper am besten zurecht. Zu wenig Schlaf ist nichts, zu viel verursacht bei mir tatsächlich aber auch Kopfschmerzen. Wenn mal ein Tag abweicht merke ich das direkt. Wobei eine einzelne Ausnahme glücklicherweise nicht immer mit einem Migräneanfall endet. Da meine Tage i.d.R. recht gleich sind kann ich mir auch mal eine Ausnahme erlauben, jedoch sollte das nicht zu häufig sein.
Gerade was die Sache mit dem Schlafen betrifft muss man sich leider sehr oft vor anderen Menschen rechtfertigen. Eben weil ich nicht mehrmals wöchentlich bis 1 Uhr nachts wach bleibe, sondern lieber früher ins Bett gehe. Vor allem unter der Woche ist bei mir um ca. 22:00 Uhr Feierabend, sonst hab ich echt Probleme. Die Menschen aus meinem direkten Umfeld haben da Verständnis für, bei anderen ist schon eher die Reaktion „Stell Dich nicht so an.“ Aber viele wissen es einfach nicht besser und können nicht nachvollziehen was es für einen „Migränemensch“ bedeutet.
Frische Luft und Bewegung tun mir ebenfalls gut. Außerdem achte ich etwas auf meine Ernährung weil ich mir einbilde, dass sie Auswirkung auf Migräne hat.
Natürlich reagiert auch mein Körper z.B. auf Stress. Das ist etwas, was man nur bedingt beeinflussen kann. Manchmal gibt es stressige Situationen, obwohl ich echt versuche das so gut es geht zu reduzieren. Ich gebe mir und meinem Körper durchaus gewisse Auszeiten und Ruhephasen, weil alles andere unangenehm wird.
Ein Grund, weswegen es manchmal auf meinen Kanälen etwas stiller ist. Dann ist beruflich und privat häufig so viel los, dass zusätzliche Zeit für Social Media bedeuten würde Nachtschichten zu schieben. Geht alles mal, aber mein Körper rächt sich da sehr stark und dann hat man nicht nur einen Tag lang Migräne, sondern mehrere hintereinander. Definitiv keine Option und mein Körper holt sich seine Auszeit zwangsläufig, egal ob es mir passt oder nicht. Auf der einen Seite ein guter Selbstschutz, aber manchmal auch sehr hinderlich.
Es gibt noch einen weiteren Punkt den ich leider nicht beeinflussen kann, der bei mir aber für Migräne sorgt: Wetterumschwünge (extreme Temperaturschwankungen, Wetterwechsel usw.). Mein Kopf ist da in der Regel eine zuverlässige Wettervorhersage.
Sogar ein Zopf kann bei mir Migräne auslösen, einfach weil mein Kopf sehr empfindlich ist. Allgemein ist mein Nacken-/ Schulterbereich eine Schwachstelle der zu Verspannungen neigt. Das führt dann ebenfalls zu Migräne weswegen ich versuche regelmäßig Übungen zu machen um diese Verspannungen zu lösen.
Genug zu trinken ist ja eigentlich für jeden wichtig, aber für mich besonders. Trinke ich zu wenig bedeutet das = Migräne. Gerade an Tagen wo ich viel unterwegs bin (im Auto, auf Pferdemessen etc.) muss ich mich zum trinken zwingen. Wenn man beschäftigt ist vergisst man es ja doch gerne mal, was in meinem Fall nicht gut ist. Und wo wir gerade bei Trinken sind, Alkohol kann ebenfalls ein Auslöser für Migräne sein.
Für den Notfall ist es sinnvoll eine Migränetablette dabei zu haben. Manchmal hilft auch ein Glas Cola, jedoch kommt es da stark auf die Kopfschmerzen drauf an.
Übrigens sollte man allgemein mit Medikamenten aufpassen, eine zu häufige Einnahme von Tabletten kann ebenfalls Migräne auslösen. Die Einnahme muss man selbst etwas überwachen. Wer an mehr als 10 Tagen im Monat Tabletten wegen der Migräne nimmt sollte definitiv aufpassen.
Bei Frauen spielt auch der Zyklus eine Rolle. Gewisse Pillen sollte man als Betroffene nicht nehmen, weil sie die Migräne begünstigen können. Daher unbedingt beim Frauenarzt ansprechen, dass man mit Migräne zu tun hat, denn die Pille kann ebenfalls ein Auslöser sein.

Klingt alles irgendwie kompliziert? Ist es auch. Migräne ist hochkomplex, es gibt so viele Arten und noch viel mehr Auslöser. Das macht es nicht gerade einfach damit umzugehen. Es gibt kein Schema F was bei jedem eine Linderung bringt. Daher ist es wichtig herauszufinden worauf der Körper reagiert. Vorbeugende Maßnahmen sind dabei am wichtigsten!
Dieses Wissen, was ich mir über Jahre angeeignet habe, hat mir das Leben sehr erleichtert. Wer ein gutes Verhältnis zu seinem Körper hat wird schnell herausfinden ob z.B. bestimmte Lebensmittel so was auslösen oder gewisse Lebensgewohnheiten. Ein Prozess der natürlich einige Jahre lang dauert, aber sehr wichtig ist.
Mittlerweile habe ich mich an das Leben mit Migräne gewöhnt. Auch daran, dass es Menschen gibt die das nicht nachvollziehen können. Migräne kann das Leben sehr belasten. Daher ist es wichtig, dass man selbst lernt damit umzugehen. Denn nur wenn man das lernt, kann man das Leben auch wieder genießen. Früher war es für mich undenkbar auf Messen zu gehen. Es war laut, dort ist es oft eng, viele Menschen sind da und man läuft viel was wiederum zu Verspannungen führen kann. Nach einer Messe konnte man mit mir nichts mehr anfangen. Das war sehr belastend, aber wenn ich einige Dinge beachte kann ich selbst das mittlerweile genießen.
Im Endeffekt kann man sich nur selbst helfen. Auch Ärzte sind manchmal ratlos wenn es um das Thema geht, eben weil Migräne so unterschiedlich ist. Ich war mal bei einem Neurologen der sagte, er habe einen Patient der auf ein gewisses Musikstück mit Kopfschmerzen reagiert. Damit wollte er mir zeigen wie komplex das ganze ist und der Auslöser manchmal kaum nachvollziehbar ist.
Trotz allem ist es ratsam sich einmal durchchecken zu lassen. Ich war mehrmals beim Neurologen, bekam ein MRT gemacht usw.. Das ist finde ich schon wichtig um zumindest manche Ursachen auszuschließen. Und auch wenn es weder beim Neurologen, noch beim MRT Auffälligkeiten gibt, so bedeutet es nicht, dass man simuliert.
Wer einen Mensch mit Migräne in seinem Umfeld hat sollte vor allem Verständnis dafür haben, es ist keine Behinderung die man sieht, trotz allem ist es sehr belastend. Nur weil man diese Beeinträchtigung nicht körperlich sieht, heißt es nicht, dass sie nicht da ist.

Es gibt wahnsinnig viel was man bei Migräne beachten sollte. Vielleicht helfen die oben genannten Punkte dem ein oder anderen. Letztendlich muss jeder selbst herausfinden was ihm gut tut und was hilft. Wer versteht was bei einem selbst passiert, der hat viel gewonnen. Da kann auch ein Arzt oftmals nicht weiterhelfen, deswegen muss man selbst aktiv werden. Eine gute Beziehung zum eigenen Körper ist der beste Anfang. Vor allem sollte man Warnsignale auch wahrnehmen und sich genug Ruhe gönnen. Mittlerweile habe ich meine Migräne sehr gut im Griff, mit Ausnahme der Ursachen, die ich nicht direkt beeinflussen kann. Ich kann damit Leben, mir geht es gut. Natürlich habe ich meine schlechten Tage, aber durch ein gesundes Bewusstsein sich selbst gegenüber konnte ich die Migräneanfälle sehr minimieren. Nicht von heute auf morgen, aber ich habe mittlerweile deutlich weniger Migräne als vor einigen Jahren. Es lohnt sich also immer diesen Prozess zu durchlaufen und sich mit anderen auszutauschen.


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