Gastbeitrag: Die faire Balance zwischen Belohnung und Bestrafung

Hallihallo ihr Lieben,

die liebe Aline hat mir netterweise die Möglichkeit gegeben, hier für euch einen Gastbeitrag zu verfassen. Ihr seid von ihr ja hohes Niveau gewöhnt, also werde ich mein Bestes geben.

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Vielleicht zu Beginn ein paar Worte über mich und meinen vierbeinigen Partner 🙂
Ich heiße Lara, bin 21 Jahre alt und studiere zurzeit. Besagter Partner ist mein Araber-Quarter Horse-Mix White Fire, der mich nun seit bald fünfeinhalb Jahren begleitet und von damals an einen wichtigen Teil meines Lebens darstellt. Er wird nun in diesem Jahr 11 Jahre alt und hat definitiv eine Begeisterung für viele verschiedene Zirkuslektionen und jeglichen Quatsch den man sich sonst so ausdenkt.

Aber ich möchte nicht zu weit ausschweifen und zum eigentlichen Teil dieses Beitrages kommen.
Wie auch Aline mit ihrem Blue bin ich bemüht, auf einer möglichst fairen Basis mit meinem Pferd zu arbeiten. Tja, und bei der Frage, was nun „fair mit dem Tier umgehen“ bedeutet, kommt man nicht umhin, sich Gedanken über die Balance zwischen Belohnung und Bestrafung zu machen.

Zu dem Thema habe ich inzwischen schon die verschiedensten Ansätze gehört.
Einige sagen, sie arbeiten absolut nicht mit Bestrafung. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass dieser Ansatz ein lobenswerter Gedanke ist. Die Frage, die wir uns allerdings noch stellen müssen, ist wohl, inwiefern das umsetzbar ist und vor allem: Wie sinnvoll ist das wirklich?

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Ich habe sogar mal ein Gespräch mit einigen Leuten geführt, die viel davon halten, ausschließlich mit positiver Verstärkung zu arbeiten.
Hier muss ich natürlich kurz ein wenig erklären – Belohnung sowie Bestrafung kann man auf verschiedene Kategorien zurückführen.

Positive Verstärkung hätte beispielsweise eine belohnende Funktion und arbeitet mit positiven Reizen. Wenn das Pferd also ein erwünschtes Verhalten zeigt, füge ich einen positiven Reiz zu, beispielsweise ein Leckerli, ein Stimmlob, Streicheleinheiten etc.
Dazu gibt es natürlich das Pendant, die „negative Verstärkung“. Wie ihr euch sicher denken könnt, arbeitet man hier mit negativen Reizen. Jedoch hat auch diese eine belohnende Funktion, denn das Prinzip ist, dass man, sobald das Pferd eine erwünschte Verhaltensweise zeigt, einen negativen Reiz entfernt. Beispielsweise zählt es als negative Verstärkung, wenn mein Pferd Druck weicht. Der Druck, als unangenehmer, „negativer“ Reiz, wird entfernt, sobald das Tier die gewünschte Reaktion zeigt.

Und da finden wir sicher genug Beispiele. Angefangen mit dem vorwärts treiben unterm Sattel über Seitengänge bis hin zum Rückwärtsrichten. Was ist also schlimm an negativer Verstärkung? Meiner Meinung nach grundsätzlich gar nichts. Ich kann mir ehrlich gesagt gar nicht vorstellen, ohne diese Art der Verstärkung zu arbeiten, denn ich halte es für wirklich schwierig, diese komplett aus dem Training zu entnehmen. Allerdings sehe ich auch gar keinen Grund dafür.

Kommen wir nun zu den verschiedenen Typen der Bestrafung. Das Prinzip ist, wie ihr euch sicher denken könnt, genau umgekehrt.
Typ I arbeitet mit negativen Reizen: Zeigt das Pferd unerwünschte Verhaltensweisen, so wird ein negativer Reiz zugefügt.
Typ II entzieht, wie ihr vielleicht schon kombiniert habt, einen positiven Reiz.
Gerade Typ I klingt erst einmal sehr negativ.
Natürlich will man eigentlich sein Pferd nicht bestrafen. Die Frage war für mich aber immer: Ist es wirklich fairer dem Pferd gegenüber, komplett ohne Bestrafung zu arbeiten? Ergibt das auf lange Sicht Sinn? Wird mein Pferd dadurch glücklich?

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Meiner Meinung nach gibt es einige Argumente für den Einsatz von Bestrafung, sofern er denn gemäßigt ist.
Was ist zum Beispiel, wenn mein Pferd Verhaltensweisen zeigt, die auf Dauer gefährlich für es, mich oder Dritte werden könnten?
Meiner Meinung nach bleibt bei einem solchen Verhalten aber keine Zeit, nur positive Dinge zu loben und zu warten bis das Problem sich „in Luft auflöst“.
Und ja, in solchen Situationen zeige ich für meinen Teil meinem Pferd: „Nein, das darfst du nicht“. Dafür brauche ich mein Pferd auch absolut nicht schlagen oder ihm sonst wie weh tun. Davon wiederum halte ich nämlich absolut nichts, da es definitiv nicht zu einem vertrauens- und respektvollen Verhältnis führt.

Bei Whify beispielsweise habe ich stattdessen angefangen sehr viel mit Stimme zu arbeiten. Er weiß inzwischen genau was es heißt, wenn meine Stimme strenger wird. Damit tue ich ihm absolut nicht weh aber er weiß: Das ist nicht erwünscht. Denn was passiert wenn ihm das nicht klar ist? Er versucht zu deuten was er tun sollte, variiert das gezeigte Verhalten. Das kann in manchen Fällen zum Erfolg führen und wahnsinnig nützlich sein, zum Beispiel wenn das Verhalten schon in die richtige Richtung geht. Aber was wenn das Pferd ein komplett anderes Verhalten zeigt als das was ich von ihm erwarte? Die Belohnung bleibt aus, das Pferd variiert Feinheiten. Bis es so allerdings zu einem womöglich fast gegenteiligen Verhalten kommt kann es dauern. Dann doch lieber kurz zeigen: Nein, das ist nicht gewünscht, sodass das Pferd weiß, dass es woanders ansetzen muss.

Dann kann es entscheiden was es mit diesem Wissen anfängt. Meiner Meinung nach ist es so, dass die meisten Pferde einfach versuchen, alles richtig zu machen und ihrem Besitzer zu gefallen, ihn zu beeindrucken. Diesen „will to please“ kann man doch wunderbar nutzen! Sobald mein Pferd also weiß was ich von ihm möchte und was nicht, hat es auch die Möglichkeit entsprechend zu handeln und im Normalfall wird es das auch tun, denn es hat ja gar nichts davon anders zu reagieren. Ein Pferd ist sicher nicht darauf aus, mich zu ärgern damit es sich dann gehässig ins Fäustchen lachen kann, auch wenn der durchschnittliche Pferdemensch wohl sicher schon das ein oder andere Mal das Gefühl hatte. Ich denke das ist doch eher eine menschliche Eigenschaft. Ein Pferd denkt logisch und sobald es weiß, dass ein bestimmtes Verhalten es nicht voran bringen wird, wird es dieses Verhalten reduzieren beziehungsweise früher oder später auch ganz aufgeben – alles andere wäre unnötige Energieverschwendung. Dennoch muss das Pferd hierzu überhaupt die Motivation und Freude daran haben, euch zuzuhören

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Andererseits – was passiert, wenn mein Pferd gerade etwas gar nicht versteht und ich dauernd strafe? Das klingt auch nicht gerade fair wenn ihr mich fragt. Ich finde, man muss entscheiden. Es gibt Verhaltensweisen, bei denen grundsätzlich geklärt sein muss, dass die einfach nicht gestattet sind. Zum Beispiel finde ich auch einige Respektlosigkeiten müssen klar sein. Natürlich lassen diese sich schon einfach automatisch durch die richtige Arbeit mit dem Tier reduzieren, teils vielleicht sogar komplett auslöschen. Aber dann gibt es auch Pferde, die dazu neigen, immer wieder zu testen. Und da denke ich, ist es besser, wenn man einfach kurz klarstellt, dass das so nicht geht.
Andere unerwünschte Verhaltensweisen allerdings, wie beispielsweise während dem Üben einer neuen Lektion, wenn Whify vielleicht gerade überhaupt nicht weiß, was ich von ihm möchte und deshalb einfach mal probiert ob es vielleicht hilft, mal den Kopf zu schütteln oder mir ein Küsschen aufzudrücken, bestrafe ich grundsätzlich nicht. Da sehe ich einfach keinen Grund, denn es würde nur eine demotivierende Wirkung haben.

Allein um der Motivation willen bin ich daher durchaus auch der Meinung, dass die Verstärkung von positivem Verhalten die Oberhand behalten sollte.
Doch die Frage ist doch: Ergibt es wirklich Sinn ausschließlich mit Belohnung zu arbeiten? Tue ich mir und meinem Pferd damit wirklich einen Gefallen?

Schlussendlich muss die Antwort auf diese Frage natürlich jeder selbst finden, aber ich hoffe einfach, dass ich euch damit einen kleinen Denkanstoß geben konnte. Am Wichtigsten ist meiner Meinung nach, dass man sich Gedanken macht, begründen kann, wieso man was wann und wie tut. Dann kann man nämlich komplett dahinter stehen und auch dem Pferd kann euer System klar werden – es hat eine Chance euch zu verstehen. Und das ist eine gute Basis für was immer man erreichen will!

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Beitrag von Lara S.
Die beiden findet ihr auch auf Instagram: Lara & White Fire


7 Gedanken zu “Gastbeitrag: Die faire Balance zwischen Belohnung und Bestrafung

  1. Vielen Dank für diesen tollen Beitrag, den hab ich gestern wirklich gebraucht nach einer nicht ganz so schönen Bodenarbeitseinheit mit meiner Reitbeteiligung, bei der ich einen Huf von ihr abgekriegt habe als sie bockend losgeschossen ist. Ich weiß, dass ich die Situation besser hätte einschätzen und damit hätte verhindern können, aber dieser Beitrag hat mich darin bestätigt, dass es okay war, ein strenges Wort mit ihr zu reden, als sie danach nochmal an der Longe gebockt hat. Ich sehe das genau so wie du/ihr, dass eine gute Balance das wichtigste ist und man auschließlich mit positiver Verstärkung auch nicht immer ans Ziel kommt. In manchen Situationen ist eine (nicht verletzende) Bestrafung durchaus gerechtfertigt, nämlich wenn sie gefährlichen Situationen für Mensch und Pferd vorbeugt! Vielen Dank für die klärenden und sehr einleuchtenden Worte! 🙂

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