Das Märchen vom Halsringreiten

Halsring (3)Halsringreiten – mittlerweile wohl wirklich eines der Dinge, die am häufigsten falsch interpretiert werden.
Denn für die meisten steht das Reiten mit Halsring für Vertrauen!
Ich reite selbst ebenfalls gerne mit Halsring oder auch komplett ohne alles. Doch ich bin der Meinung, dass Vertrauen eher eine untergeordnete Rolle spielt.
Wenn man das Wort Vertrauen damit in Verbindung bringt, dann eigentlich eher, dass der Reiter dem Pferd vertraut. Denn im Prinzip könnte dieses die Situation ausnutzen.
Oftmals ist es aber glaube ich einfach nur Mut (und Naivität), da zu wenig Menschen sich wirklich Gedanken darüber machen. Da wird dann eben mal ganz spontan mit Halsring geritten. Manchmal geht es gut, manchmal auch nicht.

Ja aber wenn Vertrauen beim Reiten mit Halsring eine eher untergeordnete Rolle spielt, was steht dann an erster Stelle?
Meiner Meinung nach eine gute Ausbildung! Bedeutet, das Pferd wurde richtig ausgebildet und lässt sich über den Sitz (Schenkel- bzw. Gewichtshilfen) und evtl. auch über Stimme gut reiten. Im Prinzip bekommt man ja schon früh gesagt, dass die Verbindung zum Pferdemaul/-kopf nicht zum bremsen/lenken da ist. Doch nicht immer wird das umgesetzt.
Nun kommen wir zu einem weiteren Punkt – auch mit Halsring kann man „schummeln“. Wenn das Pferd nicht richtig durch Schenkel- und Gewichtshilfen „gelenkt“ werden kann, so ist es trotzdem möglich ein Pferd damit zu kontrollieren. Gut erkennen kann man das eigentlich daran wo der Halsring liegt und wie stark er eingesetzt wird. Liegt der Halsring eher ruhig am Halsansatz (also in der Nähe der Brust), so ist es unproblematisch. Reagiert das Pferd dort auf kleine Signale, spricht das in den meisten Fällen dafür, dass das Pferd fein ausgebildet wurde. Doch oft sieht man, dass mit dauerhaften Zug am Halsring geritten wird oder dieser auf der Höhe vom Kehlgang ist. Hier übt man u.a. Druck auf die Luftröhre aus, was wirklich unangenehm für das Pferd ist. Und spätestens hier hört für mich „pferdefreundlich“ auf. Viele Menschen üben vor allem dort Druck aus, da das Pferd eigentlich keine andere Wahl hat als zu reagieren. Wer sich selbst mal leicht den Kehlkopf zu drückt wird denke ich bestätigen, dass das kein tolles Gefühl ist.
In einem wirklichen „Notfall“ kann man das eventuell mal machen. Aber grundsätzlich sehe ich das eher kritisch, weil hier eben keine gute Ausbildung dahinter steckt, sofern man sehr oft auf diesen Punkt zugreift. Nutzt man diese Stelle, so ist ein Unterhals eigentlich vorprogrammiert, weil das Pferd sicher nicht den Kopf fallen lässt.

Halsring
Ich habe versucht das ganze in 3 Bereiche einzuteilen. Der grüne Bereich ist für mich der Idealfall, zwischen grün und rot finde ich eine kurzzeitige Lage des Halsrings in Ordnung. Im roten Bereich hat der Halsring m.M.n. überhaupt nichts zu suchen.

Das bringt uns zum nächsten Punkt denn ein Pferd kann mit Halsring gesund laufen indem es den Rücken wölbt und sich fallen lässt. Das setzt aber auch wieder eine korrekte Ausbildung voraus. Mit dem Halsring kann man am Halsansatz oftmals viel bessere Impulse geben. Natürlich sollte kein dauerhafter Druck drauf sein. Sofern man keine neuen „Kommandos“ darüber geben möchte ist es sinnvoll ihn so zu platzieren, dass er recht locker liegt, hier ist es wichtig darauf zu achten, dass die Größe stimmt.
Eine gute Ausbildung bloß mit Halsring ist meiner Meinung nach nicht möglich. Das bedeutet natürlich, dass das Halsringreiten nichts ist was man täglich machen sollte.
Viele Menschen sehen das Reiten mit Halsring als „Spaß“, das darf und soll es natürlich gerne sein, aber eben nicht auf Kosten des Pferdes. Wer ehrlich zu sich selbst ist kann mit dem Halsring hervorragend den Ausbildungsstand des Pferdes überprüfen und dadurch die eigenen Fähigkeiten.
Und auch wenn nicht alles von Anfang an klappt, so sollte es doch Ansporn sein das Pferd noch feiner zu reiten. Das Motto: „Ich drücke meinem Pferd zwar die Luft ab, aber Hauptsache ich kann mit Halsring reiten.“  ist mit Sicherheit der falsche Weg. Und ich rede nicht davon mal kurze Impulse zu geben wo der Halsring etwas höher kommt, sondern mir geht es wirklich um den Punkt vorne am Kopfansatz.

Halsring (1)

Daher sollte man sich Gedanken darüber machen, wenn man wirklich mit Halsring reiten möchte. Es ist keine Schande, wenn man beim ersten Versuch zur Sicherheit eine Trense oder ein Halfter am Pferdekopf hat. Im Gegenteil, es zeugt eher davon, dass sich jemand wirklich Gedanken macht. Auch wir haben so angefangen – auf einem umzäunten Platz und mit Halfter als Absicherung. Wann man auf die zusätzliche Absicherung in Form von Halfter/Trense verzichten kann? Wer ehrlich zu sich selbst ist, wird es merken. Wichtig ist, dass die „Bremse“ zu jeder Zeit funktioniert, man die Gangart problemlos bestimmen kann und auch ein Zirkel sollte kein Problem sein. Das Halfter/die Trense ist dann bloß noch optisch da, ein zusätzliches eingreifen darüber wird jedoch nicht mehr notwendig sein. Natürlich sollte man Rücksicht auf eventuelle Mitreiter auf dem Reitplatz/in der Reithalle nehmen. Die ersten Versuche macht man am besten dann, wenn niemand dadurch gestört wird auf einem umzäunten Platz.
Ich persönlich gehe nie nur mit Halsring ausreiten. Wenn ich ausreiten gehe habe ich immer eine Zäumung drauf, egal ob mit Gebiss oder ohne. Mit Halsring kann ich trotzdem reiten, die Zügel liegen dann einfach nur auf dem Hals. Denn ich muss niemandem etwas beweisen. Selbst wenn ich zu Fotozwecken mit Halsring/ohne alles reite treffe ich bestimmte Vorkehrungen. Man sollte nämlich nie vergessen, dass das Pferd ein Fluchttier ist und bleibt – ganz egal wie viel man trainiert.

Halsring (2)Blue reagiert wirklich super auf den Halsring und ich kann ihn sogar komplett ohne reiten. Das kam natürlich nicht von heute auf morgen. Mittlerweile läuft Blue mit Halsring/ohne alles auch bedeutend besser als am Anfang. Das wiederum liegt aber u.a. daran, dass wir zwischenzeitlich in der Dressur (mit Trense) viele Fortschritte gemacht haben. Wer mit Halsring reiten möchte, sollte daher ehrlich zu sich selbst sein und sich nicht durch andere zu leichtsinnigen Aktionen überreden lassen. Ziel sollte es sein, dass der Halsring gar nicht groß benötigt wird, weil das Pferd so gut auf alle anderen Hilfen reagiert. Streng genommen ist es keine „Hexerei“ mit Halsring zu reiten, denn wenn das Pferd gut ausgebildet ist, so fällt eine Umstellung meistens recht leicht. Geht man das Thema Reiten mit Halsring richtig an, so ist es eine tolle Abwechslung für Pferd und Reiter ohne, dass es auf Kosten des Pferdes geht.


Ein Gedanke zu “Das Märchen vom Halsringreiten

  1. Ich muss sagen, ich find den Artikel super! Ich reite meine Rb selber hin und wieder mit Halsring, weil es mir mehr Spaß macht und sie auf die Hilfen viel feiner reagiert als auf die Trense. Allerdings ist sie sehr gut ausgebildet und ein absolutes Verlasspferd. Die Trense bleibt zur sicherheit auch immer drauf, weil wir nur belebtes Ausreitgelände haben und keinen Platz.
    Also props für den Artikel.

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