Was muss mein Pferd?

In der Reiterwelt begegnet einem immer wieder der Spruch „mein Pferd muss ….“. Ich habe daher mal für mich überlegt, was „muss“ mein Pferd? Muss er gar nichts? Und wenn er „muss“, warum?
So pauschal lässt sich das natürlich nicht sagen, denn ja auch wir Menschen müssen manchmal obwohl wir z.B. nicht wollen. Aber müssen ist nicht unbedingt negativ, manchmal „müssen“ wir etwas, was eigentlich nur zu unserem Vorteil ist. Arztbesuche sind für mich z.B. jetzt echt nichts was ich gerne mache und grundsätzlich bin ich dort eher ein seltener Besucher. Aber trotzdem gibt es z.B. Routineuntersuchungen die „müssen“ dann eben sein. Ich habe bereits 2 bzw. streng genommen 3 Operationen hinter mir, eine am Fuß und zwei an der Hand und beide Male „musste“ es eben sein um halbwegs schmerzfrei Leben zu können. Es ist für mich unvorstellbar, dass Menschen so was freiwillig tun aber das ist nun ein anderes Thema.
Zurück zum Pferd, grundsätzlich versuche ich auf einer freiwilligen Basis mit Blue zu arbeiten. Aber wenn ich das ganze sehr neutral betrachte, dann „muss“ auch er manchmal. Ich würde behaupten, dass niemand sagen kann, dass das Pferd noch nie „musste“. Hier kommt es denke ich wirklich darauf an worum geht es? Auch Blue muss z.B. zum Zahnarzt. Ob er das unbedingt toll findet sei mal dahin gestellt, wobei er mit Sicherheit freiwillig keinen Termin ausmachen würde. Trotzdem ist es zu seinem besten.
Auch „arbeiten“ muss er manchmal, obwohl er vielleicht an manchen Tagen nicht ganz so begeistert ist. Natürlich darf Blue viel mit entscheiden, aber nicht immer würde die Entscheidung so ausfallen, dass es gut für ihn wäre, sondern eher was er als gut empfindet.
„Ich muss“ klingt trotzdem immer sehr negativ, obwohl es das nicht immer ist. Nun könnte man hingehen und das Wort „muss“ mit „darf“ tauschen. „Ich darf“ klingt schon viel besser, aber viele werden sagen, dass es nicht immer zur Situation passt.

Was muss mein Pferd

Grundsätzlich muss Blue wirklich nicht viel. Aber wenn es um seine Gesundheit etc. geht, dann „muss“ auch er mal. Doch wir machen uns keinen Stress und haben so gesehen keinen „Leistungsdruck“. Wir gehen keine Turniere o.ä. wodurch das was wir uns erarbeiten in erster Linie für uns ist. Wir haben keinen festen Plan, oft entscheide ich spontan was wir machen und häufig hängt es damit zusammen, wie Blue drauf ist. Manchmal kam ich total motiviert auf die Weide und das effektivste was wir gemacht haben waren 20 Minuten auf dem Boden rum liegen. Aber es war gut für uns beide. Blue erinnert mich regelmäßig daran, auch mal die Ruhe zu genießen. Entweder durch rumliegen oder ich sitze einfach auf der Weide und beobachte ihn.
Obwohl es oft so angesehen wird, ist „müssen“ m.M.n. nicht immer negativ. Streng genommen „muss“ ich täglich auf die Weide – füttern und sauber machen. Immerhin „muss“ man sich um sein Tier kümmern. Doch ich empfinde das nicht als negativ, sondern mache es grundsätzlich gerne. Natürlich gibt es durchaus Tage wo man mal keine Lust hat, das kennt denke ich jeder. Aber eigentlich fühle ich mich nachdem ich auf der Weide war immer besser.
So ähnlich geht es wahrscheinlich auch Blue, wenn er mal etwas „muss“ worauf er anfangs keine Lust hat. Ich höre da oft auf mein Bauchgefühl womit ich i.d.R. gut fahre.
Ich denke die Kunst ist es aus diesem „muss“ etwas zu machen, wo letztendlich auch das Pferd Spaß dran hat. Z.B. wenn Blue aufgrund seiner Arthrose einen schlechten Tag hat, dann ist Bewegung gut, obwohl er das Anfangs als unangenehm empfindet. Doch wenn wir fertig mit einer Einheit sind, dann will er oft gar nicht aufhören. Ich höre bewusst immer dann auf wenn ich merke Blue hat noch Lust. Macht man erst Schluss, weil das Pferd fix und fertig ist, dann ist das sicher nicht förderlich für die Motivation. Blue hat mittlerweile Spaß beim Reiten, im Gelände und selbstverständlich auch bei der Bodenarbeit.
Jedoch gibt es einen Punkt, da muss mein Pferd keine Abstriche machen und das ist die Haltung. Blue muss nicht aufgrund meiner Bequemlichkeit ein Leben führen, dass einem Lauf- und Herdentier nicht entspricht. Während meiner Abwesenheit muss Blue nicht auf irgendetwas verzichten.
Manchmal muss Blue (im Training, Tierarzttermine etc.), aber dieser Teil ist, wenn man es insgesamt betrachtet, sehr klein. Der überwiegende Teil besteht aus „ich darf“ oder „ich will“. Und so lange dieser „ich muss“ Teil nicht zu groß ist, ist finde ich alles in Ordnung. Wir sollten uns nur regelmäßig die Frage stellen, ob das alles noch so passt oder irgendwann dieser „muss“ teil nicht doch zu groß wird, weil wir z.B. zu sehr unsere eigenen Dinge durchsetzen wollen.
Das bei uns das Verhältnis stimmt, merke ich persönlich daran, dass Blue freiwillig und gerne in meiner Nähe ist. Er kommt ohne Aufforderung, lässt teils sein Futter für mich stehen um mich auf der Weide verfolgen zu können.